
Nein, sagen Experten übereinstimmend, aber die Zielrichtung männlicher und weiblicher Neugier ist unterschiedlich. Während Frauen eher an sozialen Themen interessiert sind (Woran denkst Du gerade, Schatz?), richtet sich männlicher Wissensdurst primär auf Technik und Umwelt. 93 Prozent aller Patentanmeldungen sind männlich, Tendenz allerdings fallend. Diesen Trend bestätigt Jugend forscht: 1966, im ersten Jahr des von Henri Nannen ins Leben gerufenen Projektes, waren nur acht Prozent der Teilnehmer Mädchen, 2016 immerhin schon 38 Prozent. So haben im Jahr 2016 die Geschwister Sara-Luisa und Anja-Sophia Reh (16 und 14) den Bundessieg für Biologie erlangt. Ihre Untersuchungen zum Blutzuckerspiegel im Verlauf des weiblichen Zyklus helfen jetzt zuckerkranken Frauen bei der präzisen Dosierung von Insulin.
Sie begleitet uns seit einer Million Jahre und nun ist es Zeit für ein erstes Fazit: Ja, sie macht erfolgreich. Hätte nicht die pure Neugier unsere Vorfahren nach unten getrieben, säßen wir vielleicht immer noch in den Baumkronen. Die gleiche Gier nach Neuem hat uns zum Feuer geführt – wenn auch die ersten Versuche, Flammen zu zähmen, vermutlich unerfreulich abgelaufen sind. Heute nimmt Neugier völlig andere Formen an: Die Bandbreite reicht vom Blick über den Zaun über die Lektüre der Boulevardpresse bis hin zu lebenslangem Lernen, Forschen und manchmal auch Ausforschen. Neugier ist offensichtlich omnipräsent und wir sind nicht davor gefeit.
Wir müssen wissen
Wir können nicht anders – sobald etwas Wissenswertes auftaucht, wollen Menschen erfahren, was los ist. Zugegeben: manche mehr, manche weniger. Das Team von Prof. Colin Camerer vom California Institute of Technology hat mit einem Magnetresonanz-Tomographen die Hirntätigkeit von Personen gemessen, während ihnen Quizfragen gestellt wurden. Nach jeder Aufgabe mussten sie ihre Neugier auf die richtige Antwort einschätzen. Das Ergebnis war eindeutig: Je größer die Neugier, desto mehr Dopamin produziert unser Gehirn. Dopamin ist der Belohnungsstoff unseres Gehirns, der nach beruflichen Erfolgen wie auch nach einer Tafel Schokolade ausgeschüttet wird. Kurz gesagt: Neugier macht glücklich. Demnach ist das „als ein Reiz auftretende Verlangen, Neues zu erfahren und insbesondere Verborgenes kennenzulernen”, so die Definition von Wikipedia, angeboren und ein sich selbst verstärkender Trieb.
Dass Neugier sogar absehbare negative Folgen in Kauf nimmt, wurde 2015 an der Universität von Wisconsin nachgewiesen. Für dieses Experiment wurden Probanden in einen Warteraum geführt. Auf dem Tisch lagen Stifte, die auf Druck einen leichten Stromschlag auslösten. Manche davon waren als geladen markiert, manche als ungeladen, einige besaßen keinerlei Kennzeichnung. Angeblich waren die Stifte vom letzten Versuch liegengeblieben. Die Forscher baten, kurz auf den Beginn des Experiments zu warten und verließen den Raum. Von außen beobachteten sie die Wartenden – natürlich war dies schon die eigentliche Versuchsanordnung. Das Ergebnis: Kaum ein Teilnehmer konnte sich beherrschen, die Schreibgeräte nicht auszuprobieren. Dabei wurden Stifte ohne Markierung deutlich öfter gedrückt als die anderen. Für die amerikanischen Forscher der Beweis, dass Neugier nicht nur Segen, sondern auch Fluch sein kann. Dann nämlich, wenn sie dazu verleitet, alle Vernunft über Bord zu werfen, um an Informationen zu gelangen.
Die Forscher nannten ihre Studie „The Pandora-Effect“, nach dem mythologisch betrachtet wohl verheerendsten Fall von Neugierde. Als Rache für den Diebstahl des Feuers übergibt Gottvater Zeus der menschlichen Pandora eine Dose und warnt sie davor, diese jemals zu öffnen. Doch sie kann sich nicht beherrschen und lüftet den Deckel. So entkamen alle Plagen in die Welt: Arbeit, Krankheit, Tod…
Knapp zwei Millionen Exemplare der Bildzeitung – das Flaggschiff der deutschen Boulevardpresse – gehen täglich über den Kiosktresen. Vor 15 Jahren waren es allerdings doppelt so viele. Mit ähnlichen Problemen kämpfen Le Parisien, die Kronen Zeitung in Österreich oder auch Der Blick in der Schweiz. Der Grund: Im Web gibt es zuhauf allzu Menschliches wie auch Königliches kostenlos zu lesen. Die Verlage suchen ihr Heil in Bezahlsystemen mit exklusiven Inhalten. Teilweise mit Erfolg: Bild Online zählt über 300.000 Digital-Abonnenten, die Hälfte des Verlagserlöses stammt mittlerweile aus dem Online-Bereich. Unter dem Strich konsumieren wir heute fünfmal mehr Informationen als noch vor fünfzig Jahren. Das bedeutet nicht nur eine gigantische Reizüberflutung, das führt auch zur gesteigerten Suche nach emotionalen, berührenden Botschaften. So erklären sich erfolgreiche TV-Formate, in denen die Teilnehmer Käfer kauen oder Bauern balzen.
Psychologen erklären den Erfolg solcher Sendungen neben der Sensationslust auch durch die Art der menschlichen Informationsverarbeitung. Spiegelneuronen sorgen dafür, dass im Gehirn des Betrachters ähnliche Prozesse ablaufen wie beim Akteur vor der Kamera – freilich abgeschwächt und in sicherer Distanz. Wir üben quasi den Umgang mit Katastrophen und wiegen uns gleichzeitig in der beruhigenden Gewissheit, dass es uns diesmal nicht getroffen hat. Deshalb können wir auch gar nicht anders, als bei einem Unfall hinzuschauen. Das macht den Schaulustigen zwar zum Handlanger seiner Gene, nicht aber zwangsläufig zum Gaffer. Der Unterschied liegt in der empfundenen Empathie mit dem Opfer und dem konkreten Verhalten. Wer nach dem ersten Blick sein Handy zückt, um Hilfe zu rufen, handelt im moralisch akzeptierten Rahmen. Wer auf die Fototaste drückt, nicht. Das Problem hat indes solche Ausmaße angenommen, dass der Bundestag ein Gesetz beschlossen hat, nach dem die Behinderung von Rettungskräften mit Geld- oder Haftstrafen bis zu einem Jahr geahndet wird. Als Behinderung gilt alles, was Einsätze erschwert – auch das bloße Sitzen- oder Stehenbleiben. Noch schärfere Sanktionen gibt es für sensationsgieriges Fotografieren und Filmen. Bis zu zwei Jahre Haft droht der Bußgeldkatalog an.

Nein, sagen Experten übereinstimmend, aber die Zielrichtung männlicher und weiblicher Neugier ist unterschiedlich. Während Frauen eher an sozialen Themen interessiert sind (Woran denkst Du gerade, Schatz?), richtet sich männlicher Wissensdurst primär auf Technik und Umwelt. 93 Prozent aller Patentanmeldungen sind männlich, Tendenz allerdings fallend. Diesen Trend bestätigt Jugend forscht: 1966, im ersten Jahr des von Henri Nannen ins Leben gerufenen Projektes, waren nur acht Prozent der Teilnehmer Mädchen, 2016 immerhin schon 38 Prozent. So haben im Jahr 2016 die Geschwister Sara-Luisa und Anja-Sophia Reh (16 und 14) den Bundessieg für Biologie erlangt. Ihre Untersuchungen zum Blutzuckerspiegel im Verlauf des weiblichen Zyklus helfen jetzt zuckerkranken Frauen bei der präzisen Dosierung von Insulin.


Die Sechstklässlerin aus Kansas gewann den öffentlichen Wettbewerb der NASA zur Namensgebung und schrieb über ihren Vorschlag: „Neugier ist ein starker Antrieb. Ohne sie wären wir nicht, wo wir heute sind. Neugier ist die Leidenschaft, die uns durch unser Leben steuert. Wir werden Forscher und Wissenschaftler, weil wir Antworten suchen und weil wir gerne staunen.“
Just Curiosity
Gerade in diesem Moment klettert Curiosity südlich der Tiefebene von Elysium Planitia den Gebirgszug Aeolis Mons hinauf. Dessen Gipfel liegt im Zentrum des Gale-Kraters, der ziemlich sicher einmal mit Wasser gefüllt war. Der kleine Marsroboter ist eine Erfolgsgeschichte: Ursprünglich war seine Mission auf zwei Jahre angesetzt. Aber er läuft und läuft und läuft. Seit 2012 rollt das NASA-Vehikel auf Aluminiumreifen über den Roten Planeten. Das allerdings gemächlich: Mehr als zwölf Kilometer hat er inzwischen zurückgelegt, zahlreiche Bodenproben analysiert, hunderte Gigabytes an Daten und mehr als 100.000 Fotos zur Erde geschickt. Anzeichen für intelligentes Leben hat Curiosity nicht gefunden, auch wenn das manche Verschwörungstheoretiker anders sehen. Deren Bandbreite reicht von NASA-Mitarbeitern, die Aliens vor den Curiosity-Kameras erkannt haben wollen, bis hin zu der Atomkrieg-Theorie von Dr. John Brandenburg, seines Zeichens immerhin Senior Propulsion Scientist der angesehen Orbital Technologies Corporation. Er glaubt, dass die einst blühende Mars-Zivilisation vor 180 Millionen Jahren durch zwei verheerende Nuklear-Explosionen ausgelöscht wurde. Seine These ist – vorsichtig ausgedrückt – tendenziell umstritten.
Diese Überzeugung verbindet Namensgeberin Clara mit den vielen Abenteurern, die vor ihr die Welt erkundet haben und die ihre Neugier kreuz und quer über den Globus trieb. Manchmal sogar darüber hinaus: Neil Armstrong betrat als erster Mensch den Mond. Über den Grund gab er in einem seiner seltenen Interviews zu Protokoll: „Ich glaube, wir fliegen zum Mond, weil es in der Natur des Menschen liegt, sich Herausforderungen zu stellen.“ Ähnlich äußert sich Roald Admundsen nach seinem großen Triumph 1911. Eigentlich wollte er als erster Mensch auf dem Nordpol stehen. Während der Vorbereitung hört er aber die Nachricht, dass Robert Edwin Peary ebendas gerade erfolgreich geschafft hatte. Bis heute ist nicht zweifelsfrei geklärt, ob es sich dabei um eine Falschmeldung handelte. Wie auch immer: Admundsen dreht seine Pläne um 180 Grad und erreicht zwei Jahre später sein neues Ziel: „Seit meiner Kindheit träume ich davon, den Nordpol zu erreichen, nun stehe ich auf dem Südpol.“ Aber nicht nur Männer machten sich auf die große Reise. Als erste Weltreisende gilt die Österreicherin Ida Pfeiffer, die Mitte des 19. Jahrhunderts alle fünf Kontinente bereiste und darüber zahlreiche Bücher schrieb, mit denen sie ihre Abenteuer finanzierte. Ihr folgte Therese von Bayern, die Schwester des letzten bayrischen Königs Ludwig III. Statt ihre Freiheit, wie sie selber sagte, an einen Mann zu verkaufen, lernte sie lieber elf Fremdsprachen und eignete sich im Selbststudium umfangreiches Wissen in Geologie, Botanik, Zoologie und Ethnologie an. Begleitet wurde sie von Max von Speidel, der als Mädchen für alles Behördengänge übernahm, Schiffspassagen buchte und die Reisekasse verwaltete. Nicht zuletzt achtete er auch darauf, dass ihr Pseudonym gewahrt blieb, denn die Prinzessin reiste unter falschem Namen, um möglichst wenig Aufmerksamkeit zu erregen.
Neu: jetzt noch neuer!
Das wichtigste Wort der Werbung ist: Neu. Schon Altmeister David Ogilvy riet seinen Werbejüngern: „Das Wort Neu wirkt am besten. Eine Anzeige könnte nur aus diesem Wort und einem Foto bestehen und es würde funktionieren.“ Es ist die angeborene Neugier des Menschen, die Lust am Probieren, die ihn zu neuen Produkten treibt. Und das nutzen Unternehmen weidlich aus. Dabei hat die Politik klare Grenzen gesetzt: Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb verbietet unwahre Behauptungen. Aber wann ist neu wirklich neu? Das regeln im Einzelfall die Gerichte. Eine Neueröffnung darf beispielsweise ein volles halbes Jahr beworben werden. Allerdings nur, wenn das Geschäft nicht vorher schon am Standort war – sonst handelt es sich um eine Wiedereröffnung. Das entsprechende Bußgeld beträgt bis zu 5.000 Euro.
Ware in einem fabrikneuen Zustand, aber in beschädigter Verpackung, gilt als neu. Ebenso Ware, die beim Versandhandel vom Kunden zurückkommt – sie darf nochmals ohne Hinweis als neu verkauft werden, was ohne Zweifel übliche Praxis bei Amazon und Ebay darstellt. Ein Auto dagegen gilt nur dann als fabrikneu, wenn dasselbe Modell zur Zeit des Kaufs weiterhin unverändert hergestellt wird – ansonsten zählt es als Auslaufmodell. Darüber hinaus darf es natürlich nicht benutzt worden sein – abgesehen von der Überführung. Vom Ende des Produktionsbandes bis zum Abstellplatz am Rande der Fabrik, die Fahrt zum und vom Hafen bzw. Transporter, dann vom Händler zur Tankstelle und wieder zurück – da kommen schnell ein paar Dutzend Kilometer zusammen. Wichtig für die Käufer eines fabrikneuen Fahrzeuges: Diese Kilometer müssen sie akzeptieren, sofern der Händler jeden einzelnen davon erklären kann. Ansonsten dürfen Sie die Abnahme verweigern bzw. eine Kaufpreis-Minderung verlangen.
Gier auf neu
Bei Autos hat die Freude über einen unberührten, gänzlich neuen Gegenstand eher psychologische Gründe: zum Beispiel die Freude über das neue Statussymbol oder die Faszination innovativer Technik. Dazu kommt der Geruch – der wird bei allen großen Marken durch „olfaktorische Teams“ ebenso akribisch designt wie das Aussehen. Und selbst der maßgeschneiderte Markenduft unterliegt Moden: Während vor 20 Jahren ein neues Auto durchaus nach Kunststoff riechen durfte, stehen heute zurückhaltende Ledernoten hoch im Kurs. Nicht nur im Auto werden Gerüche gezielt eingesetzt, sondern zum Beispiel auch im Supermarkt. Dabei eignet sich besonders der Duft von geröstetem Getreide. Der Grund: Schon in der Frühgeschichte des Menschen galt gemahlenes, mit Wasser vermischtes und gebackenes Getreide als besondere Spezialität, die nicht nur gut schmeckte, sondern auch haltbar war und mit auf den Marsch durch die Savanne genommen werden konnte. Diese positive Erinnerung hat sich als genetisches Erbe in unserer DNA erhalten. Und deshalb erwarten uns im Foyer eines Kinos überdimensionierte Popcorn- Becher, denen die meisten Besucher nur schwer widerstehen können. Aus dem gleichen Grund sind die Backabteilungen im Supermarkt immer im Eingangsbereich platziert. Der Geruch öffnet unsere Sinne, unsere Augen und unsere Bereitschaft, jetzt auf die Jagd zu gehen – auch wenn das Revier zwischen Tiefkühltruhe und Süßwarenabteilung eher überschaubar ausfällt.
Japaner dagegen lässt der Duft aus der Backstube eher kalt. Sie haben keinen historischen Bezug zu unserem Getreide, lieben dafür aber das Aroma von getrocknetem Fisch.
Altgier
Manche Dinge werden mit zunehmendem Alter immer besser und/oder immer begehrter. Neben den Klassikern Wein und Whisky zählen dazu auch weniger bekannte Oldtimer wie Gitarren. Die Rock ‘n-Roll-Gitarre schlechthin – die Gibson Les Paul Sunburst – wurde zwischen 1958 und 1960 zweitausendmal gefertigt und hing wie Blei in den Gitarrenläden. Mitte der 60er Jahre entdeckten junge, arme Musiker wie Eric Clapton, Gary Moore oder Keith Richards das nur noch gebraucht und damit günstig zu habende Modell und formten daraus Töne, die wir alle im Ohr haben: „While My Guitar Gently Weeps“ zum Beispiel oder auch „Satisfaction“. Heute ist eine historische „Paula“ der heilige Gral aller Gitarristen und kostet in gutem Zustand zwischen 300.000 und 400.000 Dollar. Der historische Klang ist unerreicht – auch wenn der Hersteller Gibson den Originalen mit Laservermessung, Röntgengeräten und Computertomographie zu Leibe rückt und versucht, den ursprünglichen Ton wieder zu reproduzieren. Allein es will nicht gelingen und so müssen die Käufer des aktuellen Les Paul-Modells zwar nur 2.000 Euro auf den Tisch legen, erreichen aber auch nie die originäre Klangfülle der Stones.
Von der Moritat zum Mobilfunk
Bänkelsänger waren in Europa noch bis zu Beginn des ersten Weltkrieges unterwegs. Sie zogen von Ort zu Ort und trugen auf den Marktplätzen Moritaten, Balladen und Lieder vor. Je blutiger, desto besser, weil gewinnbringender. Während des Vortrages standen die Sänger auf einer kleinen Bank – daher der Name. Hinter ihnen thronte eine Bildtafel mit teils drastischen Darstellungen. Häufig basierten die Texte auf tatsächlichen Verbrechen oder Naturkatastrophen, wurden aber stets ausgeschmückt. Die Parallelen zur heutigen Boulevard-Presse sind unübersehbar. Grundlegend geändert hat sich allerdings die Geschwindigkeit. Im 13. Jahrhundert brauchte eine Nachricht einen vollen Monat, um von Hamburg nach Rom zu gelangen – und das auch nur dann, wenn die schnelle Übertragung einen wirtschaftlichen Wert besaß.
Ab 1600 kamen langsam erste Zeitungen in Umlauf, deren Auflagen meist nur wenige Hundert Exemplare betrugen. Mit der technischen Entwicklung stiegen die Auflagen und sanken die Kosten. 1812 wurde die Schnellpresse erfunden, 30 Jahre später der Rotationsdruck. Nach dem zweiten Weltkrieg entstanden die großen Nachrichtenmedien Spiegel, Zeit, FAZ und Bild. Sie erreichten ihre Leser – je nach Erscheinungsweise – innerhalb eines Tages oder einer Woche. Mitte der 1990 Jahre machten die Internetpräsenzen die Verlage erstmals schneller als das Fernsehen, das immerhin Stunden für die Vorbereitung und Sendung einer Botschaft benötigte.
Heute braucht eine Nachricht inklusive Filmmaterial nur noch Minuten von jedem beliebigen Ort der Erde zum Empfänger. Dabei geht es nicht nur um Klatsch und Tratsch. Beim letzten Oder-Hochwasser beispielsweise organisierten sich die Helfer innerhalb von Stunden über Facebook-Gruppen. Betroffene nutzten die Plattform, um nach leer stehenden Dachböden für ihr Hab und Gut zu suchen. Gefragt waren auch Tipps, wie man Sandsäcke am effektivsten stapelt, um den Fluten zu trotzen.
Wegen ihrer vielseitigen Verwendbarkeit legen Facebook, WhatsApp und Twitter kontinuierlich zu. Und mit ihnen Informationen jenseits staatlicher oder institutioneller Kontrolle. Das ist zum einen zutiefst demokratisch, auf der anderen Seite sind dem Missbrauch Türen und Tore geöffnet. Es wird Zeit und einen gesellschaftlichen Konsens brauchen, bis diese Büchse wieder geschlossen ist.
Ich sehe was, was Du nicht weißt
Q würde neidisch werden: Was heute in einschlägigen Internetshops an Überwachungstechnik zu haben ist, schlägt die Ausrüstung von James Bond um Längen. Das reicht von der fingernagelgroßen Abhörwanze für 150 Euro bis hin zum Softwarepaket, mit dem sich jedes Handy lückenlos überwachen lässt – inklusive Life-Übertragung von Bild und Ton. Die App ist für 250 Euro zu haben und stellt den Begriff Mitmenschlichkeit in einen neuen Kontext. Wem der Installations-Aufwand zu hoch ist, der kauft die Wanze in der Steckdose oder den Bewegungsmelder im Aktenordner fix und fertig montiert. Aufstellen, einstecken, dabei sein. Praktischerweise bieten die meisten Shops gleich auch noch Wanzen-, Kamera- und Sensoren-Aufspürgeräte an. Wer nicht direkt in den abzuhörenden Raum kommt, besorgt sich für knapp 400 Euro ein professionelles Stethoskop für das Abhören durch die Wand; das funktioniert auch durch 50 Zentimeter Beton. Wer nicht in das Gebäude kommt, für den wird es teuer. Mithören kann er trotzdem. Rund 30.000 Euro kostet ein Laser-Monitoring-System, das die Schwingungen der Fensterscheiben abtastet und auswertet. Der passende Kopfhörer ist im Preis inbegriffen.
All das ist natürlich strafbar – aber nur in geschützten Bereichen. Paragraph 201a StGB verbietet Bild- und Tonaufnahmen in Wohnungen und Hotelzimmern, auf sichtgeschützten Balkonen, öffentlichen Toiletten, Umkleideräumen und in ärztlichen Behandlungszimmern. Es gibt allerdings Ausnahmen: Heimliche Filmaufnahmen eines Fernsehsenders können durch die Presse- und Rundfunkfreiheit geschützt sein – sofern keine Unbeteiligten aufgenommen wurden.
Wenn Sie auf Nummer sicher gehen wollen, dass Ihr Handy nicht gerade als Mikrophon und Sender dient, dann nützt Abschalten übrigens wenig. Solange der Akku im Gerät ist, können Hacker über externe Software darauf zugreifen. Edward Snowden empfiehlt als einzig sicheren Ort die Aufbewahrung im Kühlschrank; dieser schirmt jegliche Strahlung ab. Und Snowden muss es ja schließlich wissen.
Die Sechstklässlerin aus Kansas gewann den öffentlichen Wettbewerb der NASA zur Namensgebung und schrieb über ihren Vorschlag: „Neugier ist ein starker Antrieb. Ohne sie wären wir nicht, wo wir heute sind. Neugier ist die Leidenschaft, die uns durch unser Leben steuert. Wir werden Forscher und Wissenschaftler, weil wir Antworten suchen und weil wir gerne staunen.“