Das „Dutch Admiral’s Paradigm“ zeigt, das sich Flurfunk auch gezielt positiv einsetzen lässt. Zwei Kadetten der niederländischen Marine schworen sich zu Beginn ihrer Laufbahn, nur Gutes über den jeweils anderen weiterzuerzählen. Wo immer es möglich war, lobten sie den anderen bei den Vorgesetzten und Kameraden. Am Ende wurden sie durch dieses „Zitierkartell“ zu den beiden jüngsten Admirälen der Niederlande.
„Haben Sie’s schon gehört? Der Müller aus der Buchhaltung wird demnächst...“ Wer würde jetzt nicht die Ohren spitzen und aufmerksam zuhören? Wenn es um News von der Personal-Front, gewonnene Großaufträge, das vermeintliche Gerücht über den Kollegen oder den angeblichen Management-Fehler geht? Der Flurfunk ist eines der effektivsten Kommunikationsmittel in Unternehmen, Behörden und Verbänden. Wie ein Lauffeuer verbreitet er Wichtiges und Unterhaltsames, Offizielles und Inoffizielles zwischen den Bürotüren – unaufhaltsam, unkontrolliert. Manchmal zum Leidwesen der Führungskräfte, die Zeitpunkt, Weg und Informationsgehalt der meisten Themen gern selbst bestimmt hätten. Unser angeborenes Bedürfnis, Neuigkeiten mit anderen zu teilen, um so im Ansehen zu steigen, lässt sich nur schwer bremsen. Das war schon vor Jahrhunderten so, als sich die Menschen an Brunnen oder Flussufern trafen, wo sie die Wäsche wuschen und sich austauschten. Laut Sprachforschung stammt der Begriff „Klatsch“ darum auch von jenem Geräusch ab, das beim Ausschlagen nasser Wäsche entsteht. Bei aller Entwicklung in den Medien und den sozialen Netzwerken laufen auch heute noch nahezu alle Kollegen an der lokalen Wasserstelle – pardon, Kaffeeküche – zusammen, um munter Informationen auszutauschen.
Team-Builder und Akademie
Forscher gehen davon aus, dass Tratschen ein tief verwurzelter sozialer Instinkt und zugleich ein wichtiges Warnsystem ist. Unseren Vorfahren half es herauszufinden, wer Freund und Feind war. Davon hing im Zweifel das eigene Leben ab. Heute geht es eher um Karriere oder Einfluss im Unternehmen. Wenn Kollegen in lockerer Runde zusammenstehen und plaudern, entsteht aber auch ein Wir-Gefühl, das sich positiv auf das Arbeitsklima auswirkt. Unterschwellig werden dabei die Werte einer Gruppe transportiert, etwa, wenn man sich gemeinsam über Fehler ärgert. Das hat den positiven Nebeneffekt, dass Neulinge eine Orientierung bekommen und schneller lernen, welche Verhaltensweisen man vermeiden sollte und welche den sozialen Status verbessern. Die Arbeitspsychologin Kathryn Waddington von der Universität London fand zudem heraus, dass der Flurfunk auch die Produktivität steigert: Bei einer Umfrage unter rund 100 Krankenschwestern gab die Mehrheit der Befragten an, dass der Plausch zwischendurch hilft, Frust abzubauen und negative Erlebnisse aus dem Arbeitsalltag zu verarbeiten.
Auch Chefs, die Wert auf hohe Arbeitseffizienz legen, dürfen entspannt bleiben, wenn sie Mitarbeiter plaudernd in der Kaffeeküche sehen: Viele Gespräche drehen sich allenfalls in den ersten fünf Minuten um Privates, danach wechseln sie häufig zu beruflichen Themen. So findet ganz nebenbei ein Austausch zwischen Experten oder ganzen Abteilungen statt, bei dem nicht selten neue Ideen entstehen, die das Unternehmen weiterbringen können. Die Firma Xerox hat das schon vor Jahren erkannt: Weil sich die Service-Techniker in der Kaffeepause Reparatur-Geschichten und kreative Problemlösungen erzählten, lernten sie ständig dazu. Der Effekt: Xerox-Kopierer wurden zunehmend schneller repariert. Das Management erfuhr davon und ließ diese „Best-Practice“-Geschichten sogar im Intranet veröffentlichen. Dabei nutzte die Führungsspitze eine altbekannte Regel: Der Mensch lernt am besten durch die Erzählungen anderer – nicht durch langweilige Gebrauchsanleitungen.
Das „Dutch Admiral’s Paradigm“ zeigt, das sich Flurfunk auch gezielt positiv einsetzen lässt. Zwei Kadetten der niederländischen Marine schworen sich zu Beginn ihrer Laufbahn, nur Gutes über den jeweils anderen weiterzuerzählen. Wo immer es möglich war, lobten sie den anderen bei den Vorgesetzten und Kameraden. Am Ende wurden sie durch dieses „Zitierkartell“ zu den beiden jüngsten Admirälen der Niederlande.
Besser als Getuschel
Darüber hinaus ist der Flurfunk auch ein Gradmesser für die Stimmung in der Belegschaft. Führungskräfte sollten deshalb stets ein Ohr an der Basis haben, beispielsweise durch einen Teamleiter, mit dem man sich hin und wieder zum Mittagessen verabredet. In umgekehrter Richtung können Führungskräfte den Flurfunk auch nutzen, um Informationen zügig innerhalb ihres Unternehmens zu verbreiten, zum Beispiel bei wichtigen Umstrukturierungen.
Noch besser ist aber ein offizieller Jour fixe, an dem die ganze Belegschaft teilnimmt. Dort informiert das Management die Mitarbeiter frühzeitig über strategische Ziele, die aktuelle Situation oder geplante Veränderungen. Tuscheleien und Gerüchte werden dadurch praktisch überflüssig, weil die Informationen jedem zugänglich sind. Das spart Unternehmen den kräftezehrenden Kampf gegen falsche Gerüchte und auch der „Stille-Post-Effekt“, bei dem sich eine Information mit jeder Zunge, die sie weiterverbreitet, mehr und mehr von der Originalaussage entfernt, tritt nicht mehr so oft auf. Darum sollten Chefs ihre Mitarbeiter ausreichend informieren.
Manchmal versuchen Chefs, unangenehme Nachrichten so lange es geht zu verheimlichen. Eine solche Geheimniskrämerei kann aber das Vertrauen zwischen Belegschaft und Führungsspitze beschädigen und ist auch gar nicht nötig: Denn die meisten Mitarbeiter schätzen Führungskräfte, die nicht um den heißen Brei herumreden und auch negative Entwicklungen klar benennen. Außerdem ist es gut, wenn die Mitarbeiter hin und wieder eine Möglichkeit bekommen, ihre Fragen zu stellen. Regelmäßige Meetings mit der Belegschaft oder dem Team sind dafür ein geeignetes Forum. Chefs vermitteln dadurch das Gefühl, ansprechbar und ehrlich zu sein. Ist der Betrieb zu groß für solche Meetings, kann ein Intranet mit News-Bereich oder eine Mitarbeiterzeitung den regelmäßigen Nachrichtentransport übernehmen.
Keine Chance für Intrigen
Neben Gerüchten zum Unternehmen gibt es auch solche über einzelne Mitarbeiter. Der Flurfunk ist ein offener Kanal, in den leider auch Intriganten ihre vergifteten Botschaften schütten, um intern Stimmung gegen Konkurrenten zu machen und zu lästern.
Das wird besonders heikel, wenn Mitarbeiter durch das Getratsche gemobbt werden. Passiert das, muss eine Führungskraft aufgrund ihrer Fürsorgepflicht diesem Treiben ein Ende setzen. Dazu sollte sie den oder die mobbenden Mitarbeiter zum Gespräch bitten und die Konsequenzen erklären. Ist die Quelle des Tratsches nicht auffindbar, kann ein Gespräch mit dem gesamten Team sinnvoll sein. Denn üble Gerüchte können nicht nur Karrieren zerstören, sondern vergiften auch den Teamgeist und schaden auf Dauer dem Unternehmen. Besser ist es deshalb, von vornherein eine positive und offene Kommunikationskultur im Unternehmen zu etablieren.
Wie das geht? Lesen Sie unsere Tipps für eine offene und transparente Kommunikation
Reden mit Struktur
Regelmäßige Meetings von Teams und Abteilungen in dafür vorgesehenen Besprechungsräumen sind wichtig, ein Jour fixe für alle Mitarbeiter eine gute Idee.
Kein Versteckspiel
Schlechte Nachrichten in kleinen Häppchen weiterzugeben macht den Kern der Sache nicht besser und nährt nur die Gerüchteküche. Besser ist die ungeschminkte Wahrheit.
Feedback
Durch anonymisierte Fragebögen können Mitarbeiter Rückmeldung geben, z.B. wie sie die Meeting-Kultur finden und zu welchen Themen sie sich mehr Informationen wünschen.