Derzeit steht das Thema Künstliche Intelligenz (KI) vor allem unter ethischen Gesichtspunkten in der Diskussion oder es schürt Ängste vor Jobverlust. Ein nüchterner Blick auf die konkreten Potenziale fehlt dagegen meist und auch viele Unternehmen vermissen offensichtlich die Anknüpfungspunkte für ihre Geschäftsprozesse. So sieht einer Bitkom-Umfrage von 2022 zufolge zwar die Mehrzahl der Firmen KI als Chance, aber nur 9 Prozent setzen sie tatsächlich ein. Zudem deuten die Studienergebnisse darauf hin, dass Deutschland international den Anschluss bei KI verlieren könnte.
Vor diesem Hintergrund ist es sinnvoll, die praktischen Möglichkeiten genauer in den Fokus zu rücken. Diese lassen sich besser fassen, indem die Beschaffenheit der „Intelligenz“ von KI untersucht wird. Sie lässt sich in zwei Haupttypen aufteilen:
- Maschinelles Lernen
Ein System lernt Muster und Gesetzmäßigkeiten aus existierenden Daten und trifft auf dieser Grundlage Vorhersagen oder Entscheidungen, ohne explizit dafür programmiert zu werden. Meist dienen Daten mit Eingabeattribut und einem zugehörigen Ausgabeattribut als Lernmaterial. Das System lernt daran, deren Beziehungen zu identifizieren und auf neue Daten anzuwenden. Auf dieser Grundlage kann es dann zukünftige Ausgabeattribute voraussagen. So dienen etwa Beispiele dazu, diese nach Beendigung der Lernphase zu verallgemeinern.
- Künstliche neuronale Netze
Hier baut das jeweilige System auf einer Architektur auf, die an das menschliche Gehirn angelehnt ist. Schichten von Knoten verarbeiten Informationen und leiten sie weiter. Die Verbindungen zwischen den Knoten (Neuronen) sind gewichtet und durch das Training werden diese Gewichtungen angepasst, um die Vorhersagen des Systems zu optimieren. Auf diese Weise lassen sich komplexe Muster in den Daten erkennen.
KI-Anwendungen eignen sich daher vor allem für immer wiederkehrende Geschäftsprozesse, in denen die Ausgangsdaten Muster erkennen lassen. Derartige Einsatzszenarien finden sich beispielsweise in den Bereichen Prognose/Vorhersage, Ressourcenmanagement, Intelligente Automatisierung, Wissensmanagement und Qualitätskontrolle. Kreativität und selbständiges Denken ist von diesen Systemen allerdings nicht zu erwarten. Künstliche Intelligenz hat (noch) wenig mit Intelligenz zu tun, sie ähnelt vielmehr einem Schachprogramm. Ihre Stärke ist die Simulation existierender Muster. Sie ist bislang nicht in der Lage, etwas Neues im Sinne von bisher noch nicht Dagewesenem zu schaffen. Ungeachtet dieser Einschränkungen bietet die KI jedoch heute schon vielfältige Möglichkeiten für Unternehmen – auch im Mittelstand, der keine Riesenbudgets einsetzen kann wie die Vorreiter unter den Großkonzernen.
Potenziale und Einsatzmöglichkeiten von Künstlicher Intelligenz in der Praxis
Viele Anwendungen bewähren sich heute schon in der Praxis und in ganz unterschiedlichen Einsatzszenarien. Die Potenziale von KI beschränken sich daher keinesfalls auf bestimmte Branchen. Die folgenden Beispiele zeigen die Bandbreite der Einsatzmöglichkeiten:
- Logistik:
Die Logistik bietet Potenziale für autonome Fahrzeuge und Roboter, um Lagerhaltung, Sortierung und Lieferung zu optimieren. Die KI-basierte Bedarfs- und Routineplanung hilft bei der Optimierung von Abläufen und ermöglicht eine schnellere Reaktion auf Veränderungen in der Logistik.
- Produktion:
Zum Beispiel ermöglicht die Anomalieerkennung eine frühzeitige Identifikation von Problemen in der Produktion und die vorausschauende Wartung hilft bei der Vermeidung von Ausfallzeiten. KI-gestützte Roboterassistenten unterstützen Mitarbeiter bei ihrer Arbeit und steigern die Effizienz. Durch die Weiterentwicklung smarter Produkte lassen sich neue Geschäftsmodelle erschließen. Möglich sind auch Anwendungen zur Predictive Maintenance, hier können KI-Systeme Maschinendaten analysieren und anhand dessen vorhersagen, wann Wartungsarbeiten notwendig sind. Durch die Verwendung von Machine-Learning-Technologien ist es möglich, schnell auf Veränderungen in der Produktion zu reagieren und Lieferzeiten zu verkürzen.
- Lieferkette:
Die Optimierung der Supply Chain durch KI ermöglicht eine schnellere Lieferung von Produkten an die Kunden und eine bessere Reaktionsfähigkeit auf Veränderungen. Intelligente Absatzvorhersagen und Bedarfsprognosen helfen bei der Vorhersage von Warenströmen und ihrer effizienteren Planung.
- Beschaffung/Einkauf und Bestellung:
Die Automatisierung der Lagerhaltung durch autonome Fahrzeuge und die KI-basierte Abwicklung von der Bestellung bis zur Lieferung, kann Prozesse beschleunigen und Fehler minimieren.
- Unternehmensinfrastruktur und Personalwesen:
In diesem Bereich profitieren vor allem Großunternehmen mit einem hohen Personalbedarf, doch auch im kleineren Maßstab kann KI bei der Übernahme von Routineaufgaben helfen. Eine teilautomatisierte Bewerbermanagement-Plattform unterstützt bei der schnellen und effizienten Auswahl von Bewerber:innen. Oder KI-basierte Systeme können dabei helfen, Profile automatisch zu filtern und die Auswahl geeigneter Kandidat:innen zu erleichtern.
- Service und Kundenmanagement:
Diese Aufgaben betreffen so gut wie alle Unternehmen mit umfangreichem Endkundengeschäft und sie lassen sich gut auslagern: Automatisierte Kunden-Review-Analysen und Chatbots unterstützen bei der Interaktion mit Kunden und helfen dabei, eine höhere Kundenzufriedenheit zu erreichen.
- Forschung und Entwicklung:
KI-basierte Simulationen von Produktverhalten und Werkstoffanalysen unterstützen bei der Produktentwicklung und können dazu beitragen, Produkte schneller auf den Markt zu bringen.
- Marketing und Vertrieb:
Die automatisierte Datenerfassung und -auswertung ermöglicht eine bessere Analyse von Kundenbedürfnissen und eine zielgenauere Kundenansprache. Durch die dynamische Preisgestaltung und die Optimierung des Produktportfolios lassen sich Umsätze steigern.
- Qualitätskontrolle und -sicherung:
Mit Hilfe einer automatisierten und musterbasierten Sichtprüfung von Bauteilen auf Fehlerhaftigkeit lassen sich Produkte schneller sowie effizienter kontrollieren und Predictive Quality erlaubt datengestützte Prognosen. So können Unternehmen Qualität und Kundenzufriedenheit verbessern.
Die Einführung von KI im Unternehmen
Wer geeignete Aufgaben für KI im Unternehmen hat, sollte sich zunächst einmal die nötige Datenbasis verschaffen und beispielsweise alle verfügbaren Messpunkte aus Produktion oder Vertrieb nutzbar machen. Denn vor allem die fehlende Datenbasis und -infrastruktur, eine unzureichende Qualität und mangelnde Integration der Erkenntnisse in die bestehenden Geschäftsprozesse hemmen die Einführung von KI in der Praxis. Sodann stellt sich die Make-or-Buy-Frage. Besonders bei Szenarien mit nicht-personenbezogenen Daten setzen viele Mittelständler auf extern zugekaufte Lösungen wie etwa KI-as-a-Service. Ohnehin können Kooperationen mit Anbietern von Daten, Technologien und digitalen Plattformen dabei helfen, das benötigte Wissen zu erwerben, erprobte Lösungen in die eigenen Geschäftsprozesse zu integrieren und digitale Wertschöpfungsnetzwerke aufzubauen.